Ménage-à-trois: Klavier-Recital mit Daniel Höhr
Programm:
Robert Schumann (Zwickau 1810 – 1856 Endenich)
Waldszenen Op. 82
Thema mit Variationen WoO 24 („Geistervariationen“)
Johannes Brahms (Hamburg 1833 – 1897 Wien)
Balladen Op. 10
Clara Schumann (Leipzig 1819 – 1896 Frankfurt am Main)
Drei Romanzen Op. 21
In seinem Klavierabend am 5. November um 17.00 Uhr in der Synagoge Ahrweiler spielt Daniel Höhr Werke dreier Komponisten, deren Lebensschicksal sehr eng miteinander verknüpft war. Als im Jahre 1853 sich der zwanzigjährige, damals noch weitgehend unbekannte Johannes Brahms bei den Schumanns in Düsseldorf vorstellte, ist Clara Schumann – Pianistin und Komponistin von Weltrang – sofort Feuer und Flamme für den jungen Musiker aus Hamburg. Es entwickelte sich eine innige Freundschaft zwischen den Schumanns und Brahms, vor allem zwischen Clara und dem 14 Jahre jüngeren Hamburger Komponisten. Vielleicht gingen die beiden auch ein Liebesverhältnis ein; da sie in späteren Jahren ihre Briefe vernichteten, wird man es wohl nie erfahren. Robert Schumann starb am 29. Juli 1856 in der Anstalt für Behandlung und Pflege von Gemütskranken und Irren von Dr. Franz Richarz in Endenich bei Bonn, Clara überlebte ihn um 40 Jahre. Brahms starb 1897, ein Jahr nach Claras Tod. Neben Robert Schumanns Waldzenen Op. 82 (1848/1849) spielt Daniel Höhr Schumanns letztes Werk vor dessen Einlieferung in die Anstalt in Endenich. Das Thema mit Variationen in Es-Dur WoO 24, die sogenannten Geistervariationen, komponierte er im Februar 1854 während eines, wahrscheinlich durch die Folgen der Syphilis verursachten, psychischen Zusammenbruchs. Robert Schumann wähnte sich in jenen Tagen von Geistern umgeben, die ihm teils „wundervolle“, teils „gräßliche“ Musik darboten. In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar glaubte er, von den Geistern Schuberts und Mendelssohns ein choralartiges Thema zu hören, das er sich sogleich aufschrieb (tatsächlich verwendete er das Thema schon in seinem ein Jahr zuvor entstandenen Violinkonzert). Wenige Tage später komponierte er die Variationen darüber. Am Morgen des 27. Februar, am Rosenmontag, verließ er in Pantoffeln und Morgenmantel bekleidet das Haus in der Bilker Straße in Düsseldorf, ging auf die Oberkasseler Brück und stürzte sich in den Rhein. Er wurde gerettet und nach Hause gebracht. Kurz darauf ließ er sich in die Anstalt nach Endenich einliefern. Nach seinem Tod hütete Clara Schumann die Geistervariationen wie einen Schatz und verbot deren Veröffentlichung. Erst seit 1995 liegen sie in einer zuverlässigen Urtextausgabe vor. Nach Schumanns Einlieferung in die Endenicher Anstalt Anfang März 1854 ließ sich Johannes Brahms in Düsseldorf nieder, wo er die Haushaltsführung der Schumanns übernahm und in Claras Auftrag geschäftliche Angelegenheiten erledigte. Clara durfte Robert bis zwei Tage vor seinem Tod nicht besuchen. Brahms allerdings konnte ihn sehen und vermittelte zwischen Clara und Robert. In dieser Zeit begann er, tiefe Gefühle für Clara zu entwickeln. Unter diesem Eindruck entstanden im Sommer 1854 die Balladen Op. 10. Sie sind Brahms‘ lebenslangem Freund Julius Otto Grimm gewidmet. Als er ihn über die Widmung in Kenntnis setzte, schrieb ihm Grimm zurück: „Aber hat Frau Schumann auch die Widmung genehmigt? Denn eigentlich gehören die Balladen ihr.“ Die erste der Drei Romanzen Op. 21 von Clara Schumann entstand am 2. April 1855 nach einem Ausflug, den sie mit Johannes Brahms nach Köln unternahm. Sie hörten Beethovens Missa Solemnis und bestaunten den (damals noch unfertigen) Dom. Am Nachmittag fuhr Brahms nach Endenich, um dort Schumann zu besuchen. Clara kehrte nach Düsseldorf zurück, um eine Romanze als Geburtstagsgeschenk für Brahms zu komponieren. „Sie ist aber recht traurig in der Stimmung; ich war’s so sehr als ich sie schrieb,“ notierte sie in ihr Tagebuch. Zu Brahms‘ Geburtstag am 7. Mai schenke sie ihm die Romanze in einer Reinschrift auf einem Schmuckblatt mit der Widmung Meinem lieben Freund Johannes Brahms componirt den 2ten April 1855. Eine zweite Abschrift auf einem ähnlichen Schmuckblatt mit der Widmung Dem geliebten Manne am 8ten Juni 1855 (Robert Schumanns Geburtstag) befindet sich im Robert-Schumann-Haus Zwickau. Das gesamte Werk, die Drei Romanzen Op. 21, widmete Clara Schumann dann aber doch Johannes Brahms.
Der Eintritt ist frei. Daniel Höhr bittet um eine Spende.
Vita:
Daniel Höhr, geboren 1973 in Troisdorf, ist seit über drei Jahrzehnten am liebsten als Solist aber gelegentlich auch als Kammermusiker, Liedbegleiter und Orchestermusiker auf den Bühnen kleinerer Konzertsäle unterwegs. Der Sankt Augustiner Musiker begann im Alter von acht Jahren mit dem Klavierspiel. Seine Lehrer waren Norbert Schmitz-Witter, Markus Grünter, Eleonora Sauer, Christa Hahn, Prof. Peter Florian (Osnabrück) und Gotthard Kladetzky (Köln). Seinen ersten Soloabend gab der mehrfache Preisträger bei „Musizierende Jugend im Rhein-Sieg-Kreis“ und „Jugend Musiziert“ 1993 mit u.a. Mussorgskys Bilder einer Ausstellung im Klavierhaus Klavins in Bonn-Beuel. In seinen oft thematisch gestalteten Programmen finden sich nicht nur Werke seiner Lieblingskomponisten Beethoven, Brahms und Schumann, sondern auch selten Gespieltes in zum Teil ungewöhnlicher Besetzung. So wirkte er 2009 bei Uraufführungen von Werken Markus Grünter mit, spielte 2013 zusammen mit Axel Wilberg Kammermusik für Harmonium und Klavier von Sigfrid Karg-Elert (1877 – 1933) und gab 2014 den selten zu hörenden und erst vor wenigen Jahrzehnten der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Klavierzyklus Das Jahr von Fanny Hensel (1805 – 1847). Am 11. Dezember 2021 führte er in Sankt Augustin die Vexations von Erik Satie in einer sechzehnstündigen Soloperformance als Spendenmarathon zugunsten der Seenotrettungsorganisation United4Rescue auf. Sein Album Innocence & Experience mit Klaviermusik von Schumann und Brahms erschien 2021 auf seinem eigenen Label serioso und wurde vom Kölner Stadt-Anzeiger als „ausgefeiltes, überzeugende Debut“ gelobt.
www.danielhoehr.de